Dieser Beitrag ist im Rahmen des Engagements für den Glasfaser-Ausbau in unserer Gemeinde entstanden. Die ersten Anschlüsse waren aktiviert, die Anschlussinhaber freuten sich darüber und teilten ihr Glück;
Sofort kam ein Kommentar: „Du hast doch 600 gebucht, da wird aber nur 500 angezeigt!“
So geschehen in einem konkreten Fall, der Mitbürger dessen Anschluss aktiviert wurde und der ein Bildschirmfoto von einen Speedtest veröffentlicht hatte, war sich der Umgebungsbedingungen seines Tests bewusst und sah selbst auch keinen Grund in irgendeiner Form zu meckern, andere haben das Bild nicht genau angeschaut… :
Er hat den Speedtest über sein WLAN-Netz gemacht!
Einige von euch fragen sich wahrscheinlich:
„Ja, und, warum weist der uns extra darauf hin? Wir machen doch auch alles nur mit dem WLAN!“
Genau hier setzt ein entscheidender Punkt ein;
Der Übergang von der Verantwortung des Providers (egal wie der sich nennt!) zu euch:
Was am, bzw. hinter dem Router als „Netzwerk“ hängt, ist eure Sache und somit auch euer Verantwortungsbereich. Bevor man sich eventuell dazu entschließt bei der DG zu meckern oder gar gleich eine schlechte Bewertung in einem entsprechenden Portal abzugeben, sollte man erstmal darüber nachdenken:
Denn in vielen Fällen hat man selbst einen Fehler gemacht!
Eine Bandbreitenmessung wird von vielen Faktoren beeinflusst,
die aufgelisteten davon kann der Provider z.B. nicht beeinflussen:
- Wie ist der Server – auf dem ich den Speedtest aufrufe – ausgelastet?
- Wo steht der Server? (Einen Speedtest nach China zu machen ist nicht aussagekräftig…)
- Welche Route nehmen meine Datenpakete, sobald sie das Netz des Providers verlassen haben?
- Wie stark sind im Augenblick der Messung die Netzknoten ausgelastet?
- Welches Medium nutze ich? (WLAN, 100Mbit LAN, Gigabit-LAN???)
- Welchen Router verwende ich?
- Was passiert momentan in meinem LAN?
Schauen wir uns das WLAN mal an:
Setzen wir mal voraus, Ihr habt einen Router, dessen WLAN mit maximal 1200 MBit angegeben ist. Das schafft er aber nur, wenn optimale Bedingungen herrschen (also im Labor!!!), wenn er im 5GHz Band arbeitet und die sog. MIMO Technik mit mehreren Antennen nutzt.
Aber selbst dann ist noch ein gewisser Overhead abzuziehen!
Die Router erreichen diese Werte allesamt nur theoretisch, im praktischen Einsatz bleiben von der angepriesenen Leistung ca. 40% übrig!!
Diese Faktoren machen euer WLAN langsamer und somit euren Speedtest unbrauchbar, da jeder einzelne die Netto-Bandbreite (also das, was dabei raus kommt) weiter nach unten drückt:
- Ungünstiger Aufstellungsort des Routers
- Jedes einzelne Gerät, das im WLAN auch nur eingebucht ist senkt die nutzbare Bandbreite
- Je weiter weg vom Router das Endgerät ist
- Stahl-Beton Wände / Decken zwischen Router und Endgerät (Interessanterweise ist Rigips auch sehr schlecht für WLAN)
- Das WLAN-Endgerät kann nur MIMO mit 2 Antennen, oder gar nicht (oftmals kann man das nicht so leicht herausfinden)
- Andere, fremde WLAN (z.B. vom Nachbarhaus) sind in Reichweite und benutzen auch noch die gleichen Funk-Kanäle
Wenn man eine Fritz!Box verwendet, lässt sich der letzte Punkt recht leicht überprüfen und ggf. verbessern. Ich habe durch die Wahl eines anderen Funkkanals die WLAN-Bandbreite um fast das Doppelte erhöht, als es mit den Standard-Einstellungen (Autokanal) der Fall war. Die meisten WLAN funken auf dem Kanal 6, also ist dieser recht ausgelastet. Um die WLAN-Kanäle ansehen und verändern zu können, muss man auf der Fritzbox die erweiterte Ansicht aktivieren.
Der Router und das Netzwerk spielen auch eine maßgebliche Rolle:
Mit einem 100MBit-LAN brauchen wir mit der Glasfaser ja nicht mehr antreten.
Auch in einem Gigabit-LAN (!) ist das Gigabit nur mit UDP-Paketen erreichbar.
Wir sind hier aber von den Werten her schneller, oder zumindest genauso schnell unterwegs, wie der gebuchte Glasfaseranschluß.
Dateien im LAN zu transferieren läuft z.B. i.d.R. mit TCP, also erreicht man in einem solchen Fall niemals die volle Brutto-Bandbreite des LAN.
Kurz gefasst kann man den Unterschied zwischen TCP und UDP wie folgt ausschnittsweise beschreiben. Im Realfall ist das ganze natürlich deutlich umfangreicher und komplizierter. Wer Interesse daran hat, kann das ja mal Suchen (Google):
TCP, Präferenz ist gesichertes Ankommen der Daten beim Ziel:
Station 1 ruft im Wald mit Station 2 hin und her.
S1: „Ich schicke Dir Daten“
S2: „Ja, mach doch, ich höre zu“
S1: „Es ist jetzt 14:14 Uhr, Prüfsumme 1234“
…. S2 hört das und errechnet anhand der Prüfsumme, ob er mich richtig verstanden hat.
S2: „Alles klar, hab’s verstanden“
S1: „OK, Datenübertragung Ende“
UDP, Präferenz ist schnelle Übermittlung, es ist nicht schlimm wenn mal was fehlt:
S2: „Huhu S1, ich möchte von Dir wissen, wie spät es ist.“
S1: „Es ist jetzt 14:14 Uhr“
…. S2 hört das wahrscheinlich und tut vielleicht etwas mit der Information.
S2: „Erzähl weiter“
S1: „Es ist jetzt 14:15 Uhr“
S2: „Ach, hör auf“
S1: „OK, Datenübertragung Ende“
Router:
Eine Fritz!Box 7590 ist z.B. bei TCP-Paketen mehr als doppelt so schnell als eine Fritz!Box 7490. Das liegt an den eingebauten (Signal-)Prozessoren, die bei der FB7590 leistungsstärker sind. (Bei TCP muss ja meine Gegenstelle etwas tun und nicht nur zuhören).
Hier mal die Werte wie ich sie in meinem verkabelten Gigabit-LAN mit Iperf gemessen habe:
Endstellen: | MBit/s TCP | MBit/s UDP |
---|---|---|
Rechner zu Rechner | 935 | 952 |
Rechner zu FB7590 | 439 | 952 |
Rechner zu FB7490 | 187 | 951 |
Auch spielt es eine Rolle, wie verschachtelt das Netzwerk (LAN) aufgebaut ist.
Zur Verdeutlichung mal ein Beispiel aus der Praxis:
Nachtrag (31.01.2021) zur Prozessorleistung im Rechner:
Wer den Speedtest von Ookla nutzt sollte noch ein paar Punkte berücksichtigen:
Grundsätzlich solltet Ihr die für euer Betriebssystem passende Anwendung nutzen, da auch verschiedene Browser unterschiedliche Werte liefern:
Mit Firefox werden bei einem 600er Anschluss und einem Core I3-Prozessor fast 100MBit weniger angezeigt als es beim Chromium-Browser der Fall ist, da im Firefox die Browser-Engine anscheinend mehr Last beim Test verursacht. Mit z.B. einem Core I5 zeigt der Ookla-Speedtest dann im Firefox ebenfalls die 600MBit an. Sprich: Man muss die Werte interpretieren können.
Auch spielt hier der verwendete Server ein maßgebliche Rolle!
Beispiel Firefox, Linux 64bit:
Core I3, Firefox | Server: myLoc managed IT AG | Download: 458MBit/s |
Core I3, Linux-App | Server: myLoc managed IT AG | Download: 610MBit/s |
Core I5, Firefox | Server: WebseitenDesigner.com | Download: 604MBit/s |
Der Speedtest der Bundesnetzagetur unter breitbandmessung.de liefert einfacher interpretierbare Ergebnisse, leider sind hier die Daten der größeren DG-Tarife nicht in der Datenbank gepflegt und man kann somit seinen Provider nicht „ordentlich“ bewerten.
Fazit:
…. erst mal alles prüfen und sicherstellen, dass man selbst alles richtig gemacht hat!
Das erspart einem oftmals unnötige Kosten und Ärger, denn wenn ein Techniker anreist und Prüft, kostet es in der Regel dann Geld, wenn festgestellt wird, dass der Provider nicht schuld ist.
Wenn z.B. die gemessene Geschwindigkeit genau der des nächst kleineren Tarifes entspricht, kann es eventuell sein, dass das ein kleiner Fehler war und nach Abschluss der Ausbaumaßnahmen nochmal kontrolliert und Korrigiert wird.
Dann solltet Ihr mit dem Provider Kontakt aufnehmen, wenn dieser für euren Ortsteil alles fertig gemeldet hat. Keine Sorge: Da wird dann nur in einem Programm ein anderes Häkchen gesetzt und schon ist alles gut 🙂
Quellen:
…. eigene Erfahrungen / Messungen und:
c’t Magazin
Wikipedia