Die Sipeed NanoKVM ist seit ein paar Monaten auf dem Markt und scheint nicht nur bei mir großen Anklang zu finden. Mein Beitrag soll nicht ausschweifend alle Features beleuchten, hierzu gibt es mittlerweile genug Lektüre.
Ich möchte hier nach rund 5-6 Wochen meine Beobachtungen / Rückschlüsse festhalten.
Vorab:
Das Gerät ist gut, bei Weitem noch nicht perfekt, aber mein persönlicher Preis- / Leistungs- Favorit. Wenn Ihr das Gerät auf Amazon (evtl auch anderswo) sucht, achtet auf die Rechtschreibprüfung, die macht gerne aus „sipeed“ „speed“.
Im professionellen Umfeld habe ich bereits mit ADDERLink® ipeps+ KVM zu tun gehabt und finde diese Geräte einfach nur gut. Der ganz große Nachteildieser Hardware:
Der Endkunden-Preis für ein solches Gerät liegt je nach Lieferant zwischen etwa 750€ und 950€.
Die erste open Source Alternative die einem einfällt – piKVM – geht als V4 in der kleinsten Ausgabe etwa ab 300€ los. Bei Amazon findet man auch ansprechende Kits dafür ab etwa 80€ muss aber noch einen passenden Raspberry PI dazu kaufen und landet dann mit Allem Drum und Dran auch bei einem Preis von ca. 200€.
Für meine NanoKVM lite (ohne Display, ohne Micro-SD und ohne Anschaltung für Hardware-Reset des Host-Rechners etc. vom PC) habe ich via Amazon inklusive Versand aus China knapp 50€ bezahlt. Wahrscheinlich kann man noch ca. 5€ sparen, wenn man in einem chinesischen Shop direkt bestellt; Wie es aber dann mit der Verzollung aussieht – keine Ahnung. Die Lieferzeiten sind zum jetzigen Zeitpunkt (03/2025) sehr lange (egal wo!), Ich habe am 24.01.2025 bestellt und der avisierte Liefertermin war der 28.03., dass die KVM schon 4 Wochen früher im Briefkasten war: Reine Glückssache.
Mein sog. „Use case“ (Deshalb reicht mir die „lite“…)
- Nicht einen meiner Monitore zum Einrichten eines Rechners von meinem Desktop-Rechner missbrauchen zu müssen
- Keinen weiteren Monitor, Tastatur, Maus zum Einrichten eines Rechners auf dem Schreibtisch haben
- Haupt-Grund: Den Dienst-Laptop morgens einschalten zu können und den Rest des Tages zugeklappt unter dem Schreibtisch zu haben. Die Arbeit auf einem größeren Monitor ist doch angenehmer. ….und (siehe 1. und 2. Grund) noch ein Monitor?!?!
- Funktionen wie z.B. Images auf der KVM ablegen etc. nutze ich z. Zt. nicht und kann hierzu keine Aussagen machen
Inbetriebnahme
Die KVM ist recht schnell funktionsbereit!
Ein Image Herunterladen, auf Micro-SD schreiben, Reinstecken, Anschließen: Fertig
(Die „große“ Variante mit Display und Header für Reset etc. kommt mit Micro-SD und ist OOTB „ready to go“).
Für die „kleine“ lite habe ich mir nach dem dem ersten Funktionstest noch schnell ein Gehäuse aus dem 3D-Drucker heraus gelaiert damit mein Invest nicht doch durch einen Kurzschluss kaputt geht 🙂
Fertige 3D-Modelle für Gehäuse findet man innerhalb weniger Minuten auf den einschlägigen Portalen.
Erste Eindrücke und sog. Issues
Die Verzögerung hält sich erfreulicherweise in Grenzen,
ein paar kleinere Unzulänglichkeiten sind noch auszubügeln:
- Mit „exotischen“ Auflösungen kommt das Gerät noch(?) nicht so ganz klar. Einer meiner Laptops hat 1366 x 7-irgendwas, da wollte das NanoKVM Gerät erst ein Bild liefern, als ich am Laptop die Auflösung für den externen Bildschirm (die KVM) auf 1920 x 1080 eingestellt habe.
- Die NanoKVM funktioniert derzeit nur mit einem Browser als Gegenstelle – nicht nur ich würde mir eine VNC-Lösung wünschen: Auf Github wurde schon von anderen Anwendern nachgefragt, ob das (zeitnah) kommen wird. Mit Firefox geht als Videomodus h.264 und mjpeg, im ungooglred Chromium geht OOTB nur mjpeg. Derivate von Chrome / Chromium und Firefox geben auch ein Video-Bild aus. (Tastatur ist ein anderes Thema, siehe nächsten Punkt)
- Die Tastaturbelegung die dem Host vorgegaukelt wird (de, us, etc.) ist offensichtlich auch maßgeblich vom Browser abhängig. Mit Firefox und Chromium klappt es mit deutsch, LibreWolf z.B. blockt entweder die Abfrage generell, oder kann das Layout nicht ermitteln (Ich habe hier auch nicht weiter geforscht, weil andere Themen aktuell wichtiger sind) Auch wenn das Layout passt, werden trotzdem nicht alle Tasten 1:1 auf dem Host-Rechner abgebildet. Beispielsweise kann ich keine Größer- / Kleiner- Zeichen an den Rechner hinter der KVM übermitteln, dabei spielt es keine Rolle, ob der Client (Browser) auf einer (aktuellen) Linux-Maschine oder unter Win 10/11 läuft. Es lässt sich aber Arbeiten.
Sicherlich lässt sich noch etwas Fein-Tuning am HID-Profil betreiben um „das Erlebnis zu verbessern“, die Tastatur besser einzudeutschen. - Vor dem Betriebssystem-Start wird bei meinen Versuchen bisher die KVM nicht als Tastatur erkannt. Auf dem Dienst-Laptop kann ich z.B. keinen Code im Bitlocker eingeben, obwohl die KVM an einer Thunderbolt-Dockingstation angeschlossen ist. Einer meiner (etwas betagteren) Linux Test-Rechner meldet „no Keyboard found“. Eine physikalische Tastatur am gleichen USB-Port wird jedoch klaglos vom BIOS erkannt.
- In den knapp 6 Wochen meiner Testerei und produktiven Nutzung ist es bisher 2x vorgekommen, dass an einem Lenovo-Laptop mit Win11 die eingebaute Tastatur und die KVM Tastatur gar nicht mehr funktioniert haben und der Laptop neu gebootet werden musste.
Tipps
- Den Fernzugriff über Tailscale (kommerzielles WireGurad VPN) habe ich umgehend deinstalliert
- Bei Laptops als Host (Zu steuernder Rechner) funktioniert im Standard der Ziffernblock in der Regel nicht, obwohl auf dem Client aktiviert). Ich habe herausgefunden dass, wenn man an einer an den (Windows-)Laptop angeschlossenen Tastatur den Ziffernblock aktiviert, geht’s auch über die KVM –> Das ist aber nicht wirklich Sinn der Sache. Mit der Bildschirmtastatur von Windows geht’s in der Regel auch (Zu finden in der geöffneten Bildschirmtastatur unter „Optionen“, dann „Zehnertastatur aktivieren“) man muss den Ziffernblock auf der Bildschirmtastatur 1x pro Sitzung sichtbar gemacht haben (nicht die Pfeil-Tasten!!), danach kann man sie wieder schließen.
- Wenn die Tastatur oder Maus auf dem entfernten Rechner mal nicht wollen (selten der Fall), hilft meistens der Menü-Punkt „Eingabegeräte zurücksetzen“ unter der Maus im KVM-Menü. ….. leider nicht immer 🙁
- Der erste Boot – nachdem ein Image frisch auf eine Micro-SD geschrieben wurde – dauert relativ lange, weil die KVM dann den restlichen freien Speicherplatz auf der SD-Karte für ISO-Images und „USB-Stick-Emulator“ partitioniert. Danach geht ein Boot richtig flott.
Updates
Gefühlt werden derzeit (03/2025) beinahe wöchentlich Updates / Upgrades veröffentlicht. Man reagiert anscheinend ziemlich flott auf „Beschwerden“ von Usern (Beta-Testern, weil es momentan IMO noch ein Beta-Test ist), zumindest bei kleineren Bugs oder Anpassungen.
Datenschutz und Datensicherheit / Alternative Firmware
Es gibt auch ein paar kritische Stimmen, die berechtigte Sicherheitsbedenken äußern, die es zu adressieren gilt.
Wie z.B. diese hier: https://github.com/sipeed/NanoKVM/issues/270
Wenn man das schlimmste aller Szenarien annimmt, hat man sich die Laus selbst in den Pelz gesetzt und auch noch Geld dafür bezahlt. Die NanoKVM hat das Potential dazu, keine Frage! Jede KVM over IP hat das Potential, ausnahmslos alle Tastatureingaben, die mal an ein Host-System sendet, an eine beliebige Adresse im Internet zu versenden. Dabei muss noch nicht Mal die Person, die ein Gerät oder die Firmware dafür in Verkehr bringt beteiligt sein: Es reicht z.B. schon aus, wenn man versehentlich z.B. an ein manipuliertes Firmware-Image gelangt und dieses „aufspielt“. Auch könnte eine Malware gezielt Sicherheitslücken in einer KVM ausnutzen. Wie bereits erwähnt: Das kann bei jeder KVM over IP passieren.
Ich habe im Wireshark-Mitschnitt meiner Router-Kommunikation jedenfalls bisher nichts wirklich Beunruhigendes gesehen. Man sollte aber auch eine KVM auf der Liste der Geräte haben, die massives Gefährdungs-Potential besitzen.
Weiterhin sind (bisher???) nicht ausnahmslos alle Teile der Firmware open Source UND die KVM übermittelt mit der Original-Firmware des Herstellers die Serien-Nummer des Prozessors an einen Server um eine Lizenz für den nicht öffentlichen Teil zu beziehen. Ursprünglich hieß es seitens des Herstellers, das wäre momentan nicht anders lösbar,
da der Fokus derzeit auf anderen Themen liege.
Ein findiger Entwickler (https://github.com/scpcom) hat allerdings bewiesen, dass es anscheinend doch komplett quelloffen geht und ein einen eigenen Ableger u.A. der KVM Firmware aufgelegt:
https://github.com/scpcom/LicheeSG-Nano-Build/releases
Ich verwende seit dem zweiten oder dritten Tag nach Eintreffen der KVM ausschließlich die Images vom „scpcom“. Schließlich ist dort – soweit ich das beurteilen kann – Alles transparent und nachvollziehbar!
Um ein passendes Image auf eine Micro-SD zu bekommen, lädt man zunächst von der gewünschten Release die Datei „licheervnano-kvm_sd.img.xz“ herunter.
Hinweis an Windows-User:
7zip kann das XZ Format entpacken und auch packen.
Dann braucht’s nur noch ein passendes Stück Software um das Image auf die Micro-SD zu schreiben. (Das bekannteste Tool hierfür ist wohl „Win32 Disk Imager“)
Fazit, Wunschliste
Die sipeed NanoKVM ist in ihrem derzeitigen Stadium schon relativ gut produktiv nutzbar.
Insbesondere bei DEM Preis- / Leistungs-Verhältnis sehe ich momentan keine echte Alternative auch Selbstbau-Lösungen kommen teurer.
Wie in meinem use case beschrieben, werde ich wohl nie alle Möglichkeiten der KVM nutzen, deshalb wünsche ich mir, dass einige Funktionen per Konfiguration komplett ausgeschaltet werden können (u.A. um Ressourcen auf der KVM zu sparen).
Meine Wunschliste ist mittlerweile, genau wie der Beitrag gewachsen, die Bestandteile meine Wunschliste sollten möglichst von der WEB-Oberfläche aus konfigurierbar sein, nach Prio absteigend sortiert :
- VNC-Server auf der KVM (#1 Wunsch!!)
- WireGuard VPN-Anbindung frei konfigurierbar machen, für eigenes VPN!
(Tailscale ist ja schon WireGuard, also sollte das für die Entwickler kein Prob sein!!!) - Tastaur-Layout der KVM fest einstellbar per Dropdown-Liste.
Z.B. „Folge dem Browser“ und „de-de / 102 Tasten Numlock on“, „en-us ……“
Sonderzeichen wie z.B. „<>|€“ vom Client-Rechner korrekt zum Host übertragen
UND die Kompatibilität erhöhen, damit man auch im BIOS gut hantieren kann - Jegliche Emulation ausser Bildschirm, Tastatur, Maus abschaltbar machen
- Device-Namen (und ggf. IDs) gegenüber dem Host-System konfigurierbar machen
(eventuell auch Emulation spezieller Marken und Modelle)